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Los geht's

Gewalt gegen Kinder: Folgen und Auswege

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Einführung

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Geschlagen

Rebecca* ist 29 und dreifache Mutter. Sie wurde als Kind  regelmäßig von ihrer Mutter verprügelt.

Alex* ist 38 und Vater eines 7-jährigen Sohnes, bei dem ihm schon mehrfach "die Hand ausgerutscht" ist. Er selbst wurde auch als Kind von seinem Vater geschlagen.


Beide erzählen von der Gewalt, die sie erlebt haben und die sie selbst ausüben - auf ganz unterschiedliche Weise.



*Die Namen Rebecca und Alex wurden von der Redaktion geändert.
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"Sobald es dunkel wurde, wussten mein Bruder und ich schon, was uns erwartet."

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Rebecca und ihr Bruder werden von der Mutter über Jahre immer wieder brutal geschlagen. Mit der flachen Hand ins Gesicht, einem Besen auf den nackten Po. Das Jugendamt nimmt die Kinder schließlich aus der Familie, als Rebecca acht oder neun Jahre alt ist.

Sie wechselt von Heim zu Heim, haut immer wieder ab, treibt sich auf der Straße rum. Irgendwann fängt sie an zu trinken, nimmt Drogen und bricht die Schule ab.

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"Wenn ich aushole, zuckt er schon."

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Wie es anfing, weiß Alex nicht mehr so genau. Vielleicht war es, als sein kleiner Sohn einfach nicht ins Bett gehen will. Drei oder vier Jahre ist er, als Alex zum ersten Mal „die Hand ausgerutscht“ ist.

Immer wieder kommt es zu solchen Situationen, in denen er die Kontrolle verliert.

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"Ich dachte früher, ich hätte die Schläge verdient."

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Alex wurde als Kind selbst regelmäßig von seinem Vater verprügelt. Lange hat er die Schläge als normal empfunden und sie auch in der Erziehung seines Sohnes nicht infrage gestellt.

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Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe e.V., über die Bandbreite von Kindesmisshandlung

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Rainer Becker,  Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe e.V.

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Gründe

Tritte ins Gesicht, Schläge mit dem Gürtel, stundenlanges Einsperren in stockdunklen Räumen: Mehr als 20.000 Kinder und Jugendliche werden Jahr für Jahr in Deutschland misshandelt, 143 sind im Jahr 2017 an den Folgen gestorben. Täter sind meist die eigenen Eltern. Häufig fühlen sie sich überfordert.

So beschreibt es auch Alex: In manchen Situationen wisse er sich einfach nicht anders zu helfen …
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"In Situationen, in denen ich nicht weiterweiß, ist Gewalt die letzte Lösung."

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Manchmal schaukelt es sich hoch zwischen ihm und seinem Sohn, dann reißt ihm die Hutschnur. Er reagiert, wie sein eigener Vater früher reagiert hat.

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Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe

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Die meisten Eltern, die ihre Kinder misshandeln, sind überfordert: In 95 bis 97 Prozent der Fälle ist das so. Diese Eltern brauchen Hilfe, sagt Rainer Becker. Und sie sollten sich nicht schämen, sich diese Hilfe zu holen.

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"Manche sehen ihr Kind als Symbol, dass etwas schiefgegangen ist im Leben"

Professor Jörg M. Fegert, Kinder- und Jugendpsychiater

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Es gibt Menschen, die in einem Kind einen Schicksalsschlag sehen. Das lassen sie ihr Kind chronisch spüren, sagt Jörg M. Fegert.

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Kinder können Eltern überfordern. Das Schreien eines Babys kann Stress auslösen. Was können Eltern tun, wenn sie rotsehen?

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"Erst mal Luft holen, aus der Situation rausgehen, sich überlegen, mit wem kann ich reden. Oft braucht man in solchen Situationen Rat. Institutionen wie Kinderschutzbund und Fachberatungen können hier auf jeden Fall Hilfe geben. Hauptsache, dass jemand da ist, der zuhört. Dem man erzählen kann, dass einem schon die Hand ausgerutscht ist."

"Manches provozierende Verhalten ist einfach nur da, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wichtig ist es, mit den Kindern Situationen zu schaffen, wo man für sie Zeit hat."

"Dem Kind beispielsweise sagen: 'Können wir, wenn wir in den Laden gehen, vorher besprechen, dass Du heute nichts kriegst oder nur eine Sache kriegst und dafür ist an der Kasse Ruhe.' Man kann ein bisschen die Konflikte vorwegnehmen, die Situation strukturieren und mit den Kindern besprechen. Kinder reagieren sehr positiv auf Struktur. Wir wissen aus der ganzen Trauma-Arbeit, dass Regeln uns Ruhe und Kraft geben."
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Gewusst

"Ein Klaps auf den Po hat noch keinem geschadet": Wie verbreitet ist diese Einstellung in der Bevölkerung und wie viele Menschen in Deutschland haben eigene Erfahrungen mit körperlichen Strafen?

Auf den nachfolgenden Seiten
erfahren Sie es.

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In den Social-Media-Plattformen gibt es viele Kommentare zum Thema körperliche Strafen in der Erziehung. Wir haben einige zusammengestellt.

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Gesetz

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"Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig."
§ 1631, Absatz 2, BGB

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Professor Ludwig Salgo, Familienrechtler

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Körperliche und psychische Gewalt in der Erziehung sind gesetzlich verboten. Was das konkret heißt, erklärt der Familienrechtler Professor Ludwig Salgo.

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Das Handy kontrollieren, Hausarrest, ein Klaps auf den Po oder eine Ohrfeige: Welche Strafen sind erlaubt und welche nicht? Wo hört Erziehung auf und wo beginnt Misshandlung?

Auf der nächsten Seite erfahren Sie von Familienrechtler Professor Ludwig Salgo, wo die Grenzen liegen. Fahren Sie einfach mit der Maus über die Bilder.


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Beschimpfungen und Demütigungen

Solche erniedrigenden Äußerungen sind entwürdigende Maßnahmen. Sie tragen nicht zum Wachsen des Selbstwerts des Kindes bei und helfen nicht. Kinder leiden auch oft lange unter solchen Stigmatisierungen. Das ist unzulässig!

Ohrfeige

Eine Ohrfeige ist verboten! Das ist klar eine Gewaltanwendung gegen das Kind, die das Gesetz verbietet.
Bei schweren Formen von Schlägen sowie elterlichen Verhaltensweisen greift der zivilrechtliche Kindesschutz. Und das Familienrecht ist in der Pflicht, gegen Kindeswohlgefährdungen Maßnahmen zu ergreifen. Wenn es gar nicht anders geht, wird in das Sorgerecht der Eltern eingegriffen.

Vernachlässigung

Zum Beispiel unregelmäßiges Waschen/unsaubere Kleidung, kein Pausenbrot mit in der Schule: Alles das würde unter Umständen - wenn es regelmäßig vorkommt - unter den Begriff der entwürdigenden Erziehungsmaßnahme fallen und wäre verboten.

Klaps auf den Po

Dabei kommt es auf das Alter des Kindes an und in welcher Situation es geschieht. Der Klaps wird meistens - entgegen vieler Annahmen - nicht ein einmaliges Ereignis und Anlass sein, nochmal genau zu hinterfragen sowie genau hinzuschauen. Wenn es zum alltäglichen Repertoire gehört, kann es Schädigungen in der Wirkung für Kinder haben!

Liebesentzug

Drohung mit Liebesentzug sowie Ignorieren des Kindes sind eher in der Mittel- und Oberschicht verbreitete Maßnahmen des Nicht-Ansprechens des Kindes, tagelang Nicht-Kommunizierens, Liebesentzug - alles das sind ganz klar entwürdigende Erziehungsmaßnahmen. Man sollte die psychischen Langzeitfolgen von solchen Erniedrigungen nicht unterschätzen!

Kontrollieren, Überwachen

Das Kind "verfolgen", Mitlesen von Chats wie WhatsApp etc. setzt Kinder Kontrollen aus und kann tatsächlich entwürdigend sein. Allerdings: Wenn ein Kind sich wiederholt in gefährdende Situationen begibt, werden die für Eltern zulässigen Maßnahmen anders bewertet als wenn sozusagen ein Kontrollklima alles beherrscht und den Kindern nicht die Freiheit gelassen wird. Das als „Over-Protection“ bezeichnete Verhalten von Eltern kann sehr belastend sein!

Hausarrest

Ein kurzer Hausarrest oder das Verbot der Teilnahme an Freizeitaktivitäten wie ein Geburtstag oder Fußballspielen, Fernsehen - das ist alles im Rahmen des Üblichen. Diese erzieherischen Maßnahmen will der Gesetzgeber den Eltern nicht nehmen. Ein, zwei Tage im Zimmer einsperren ist jedoch schon an der Grenze. Das könnte eine entwürdigende Erziehungsmaßnahme und damit nicht zulässig sein.

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Gefahr

Sie befürchten, dass jemand sein Kind misshandelt, sind sich aber nicht sicher? Das einzige, was man beim Verdacht auf Kindesmisshandlung falsch machen kann, ist Nichtstun, sagt die Deutsche Kinderhilfe.

Auf der nächsten Seite erklärt Rainer Becker, was bei einem Verdacht zu tun ist.
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Rainer Becker, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe

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Vollbild
Es geht um Sie persönlich!
Es geht nie darum, was getan werden müsste, es geht immer nur darum, was Sie persönlich tun können und sollten!

Hilfe anbieten!
Ein behutsames Einschreiten mit "Sie scheinen im Moment sehr gestresst zu sein, kann ich vielleicht helfen?" wirkt grundsätzlich weniger provozierend als der Vorwurf "Was machen Sie da mit Ihrem Kind?"

Nicht den Helden spielen!
Sie müssen nicht Ihre Gesundheit aufs Spiel setzen, um zu helfen. Dafür gibt es ausgebildete Personen.

Melden!
Ein Jugendamt oder auch die Polizei können nur so schnell und so gut reagieren, wie sie von dem Verdacht einer Kindesmisshandlung Kenntnis erhalten. Bei Kindesmisshandlung gibt es kein "Anschwärzen"! Lieber einmal einen Fehlalarm, für den sich die zuständige Behörde nachträglich entschuldigt, als ein einziges schwer verletztes oder gar totes Kind mehr.

Die Identifizierung der Ihnen nicht bekannten Personen ermöglichen!
Bei unbekannten Verdächtigen dürfen Sie unter angemessener Berücksichtigung Ihrer Sicherheit Foto- oder Video-Aufzeichnungen von den Verdächtigen, dem betroffenen Kind oder z.B. einem Auto-Kennzeichen machen und diese dann dem Jugendamt oder der Polizei zur Verfügung stellen.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!
Lassen Sie sich den Eingang einer Meldung oder die Erstattung einer Anzeige immer schriftlich bestätigen.

Gar nichts zu tun ist immer falsch!
Was immer Sie versuchen, um einem Kind, das in Gefahr zu sein scheint, zu helfen, ist besser als gar nichts zu tun. Wer gar nichts tut, macht sich mitschuldig.
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Geprägt

Manche Kinder können Misshandlungen scheinbar ohne größere psychische Folgen überstehen. Aber die meisten zeigen schwere Belastungen, werden beispielsweise depressiv oder aggressiv, manche sind sogar selbstmordgefährdet. Die Reaktionen können sehr unteschiedlch sein.

Aber Misshandlung heißt nicht zwingend, dass man für ein Leben lang beschädigt ist. Man könne Kindern helfen, die Schlimmes erlebt haben, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Jörg M. Fegert.

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"Ritzen nimmt mir die Wut!"

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Die Gewalt bleibt sichtbar: Als Teenager fängt Rebecca an, sich zu ritzen. Viele tiefe Narben auf ihrem Oberarm sind geblieben.

Mit 16 Jahren wird Rebecca selbst Mutter. Es ist das erste von drei Kindern. Zwei werden ihr vom Jugendamt abgenommen - wegen Überforderung.

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"Im schlimmsten Fall sollte unser Sohn in eine Pflegfamilie kommen."

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Alex ist es auch nicht gelungen, die Prügel seines Vaters zu vergessen. Anders als Rebecca verletzt er sich nicht selbst, sondern schlägt seinen Sohn. Auch das hat Folgen ...

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"Ich hab mich nie in die Rolle von meinem Sohn versetzt."

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Als sein Sohn im Kindergarten aggressiv gegen andere Kinder wird, muss sich die Familie Hilfe suchen.

Alex arbeitet immer noch an sich und am Verständnis für den Sohn. Er lernt, sich zu hinterfragen und andere Wege zu finden.



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Alex will seinen Sohn nicht mehr schlagen. Er hofft, dass er das schafft, mit Hilfe seiner Therapie. Er will anderen Mut machen, diesen Weg auch zu gehen - sich Hilfe zu holen. Denn eine Ohrfeige oder ein Klaps auf den Hintern sei Gewalt und das "ist nicht in Ordnung", sagt er heute.

Rebecca lebt zusammen mit ihrem jüngsten Sohn in einer Wohnung und bekommt Hilfe von einer Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen. Sie schaut nach vorne. Vielleicht holt sie den Schulabschluss nach und macht eine Ausbildung. Mit ihrer Mutter hat sie immer noch Kontakt. „Ich habe ihr verziehen, weil sie meine Mutter ist“, sagt Rebecca. Vergessen wird sie die Schläge aber nie.

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Autoren: Petra Boberg, Heike Borufka, Stefan Ehlert, Daniela Klein, Dominik Nourney, Christine Rütten, Klaudija Schnödewind, Christina Sianides, Frederik von Castell

Redaktion: Klaudija Schnödewind, Christina Sianides  

Kamera: Lukas Gedziorowski, Tine Kaltenschnee, Christina Sianides

Grafik und Design: Saskia Schmidt, Kaan Karca

Statistiken: Frederik von Castell

Animation: Johannes Helm  

Schnitt: Justus von der Handt, Roman Rütten

Musik: Roman Rütten


Weiterführende Informationen zum Thema

Zum hr-iNFO-Dossier: Opfer ohne Stimme - wie wir unsere Kinder vor Gewalt schützen

Zu den Hilfsangeboten:

"Rede über das, was passiert ist!" - Hilfen für Opfer

Kein Täter werden - Hilfen für Eltern
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